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10 Fragen an Dr. Friederike Haslbeck - Präsidentin von amiamusica

Aktualisiert: 10. Sept.

Wie klingt Hoffnung auf der Neonatologie? Dr. Friederike Haslbeck zeigt, wie Musiktherapie Frühchen beruhigt, Eltern stärkt und nachweislich die Gehirnentwicklung unterstützt. Hinter amiamusica steht eine wachsende Bewegung aus Forschung, Praxis und Familien – mit Liedern, Netzwerken und sogar Charity-Rides auf dem Rad, damit jedes Kind von Anfang an Musik als Kraftquelle erleben kann.


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Dr. Friederike Haslbeck - Gründerin von amiamusica

Hallo Friederike, bitte stell dich bitte kurz vor?

Mein Name ist Dr. Friederike Haslbeck. Ich habe damals an der Musikhochschule Freiburg zunächst mein Diplom für Violine und Klavier absolviert und anschliessend Musiktherapie studiert und im Bereich der Medizin promoviert. Inzwischen arbeite ich hauptsächlich als klinische Musiktherapeutin und Senior Researcherin am Universitätsspital Zürich sowie als Dozentin an der Zürcher Hochschule für Musik. 2017 haben wir den Verein amiamusica gegründet, den ich als Präsidentin zusammen mit dem Vorstand aus Fachpersonen und Eltern leite.


Was macht amiamusica genau?

amiamusica ist ans Rätoromanische angelehnt und bedeutet Musikfreundin. Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der Familien mit früh- und risikogeborenen Kindern mit Musik unterstützt. Wir schaffen Bewusstsein dafür, wie wichtig Musik in dieser sensiblen Lebensphase sowohl für die Kinder als auch für die Familien ist. Wir bieten Wissen aus der Forschung für Familien und Fachpersonen an, verständlich und persönlich aufgearbeitet. Wir entwickeln Materialien, die zum Singen für die Kinder motiviert, wie zum Beispiel unsere Liederbücher von betroffenen Eltern für Eltern, Videotutorials als auch Musikevents für die ganze Familie. Gleichzeitig bauen wir Netzwerke auf, damit die Ressource Musik für noch mehr Kinder und ihre Familien zugänglich wird.


Ein frühgeborenes Kind auf der Neonatologie
Ein frühgeborenes Kind auf der Neonatologie

Wie bist du auf diese Idee gekommen?

Die Idee ist über viele Jahre gewachsen. In meiner Arbeit in Klinik und Forschung erlebe und erforsche ich, was Musik bereits bei den Allerkleinsten bewirken kann, wie sie entspannt, aber auch gleichzeitig stabilisiert und stimuliert. Sie kann den Eltern wieder Zugang zu ihren intuitiven Elternfähigkeiten verschaffen, die durch den Stress auf einer Intensivstation tief vergraben sein können. Gleichzeitig ist das Potenzial von Musik und Musiktherapie für diese Kinder und ihre Familien noch viel zu wenig in unserer Gesellschaft bekannt. Ich habe jede Woche so viele E-Mails mit Fragen zu diesen Themen beantwortet, dass wir beschlossen haben, dass wir eine Plattform und ein Netzwerk aufbauen sollten, das all unser Wissen zur Verfügung stellt. Daraus entstand amiamusica: als Brücke zwischen Forschung, Praxis und Gesellschaft.


Was genau passiert im Gehirn eines Kindes auf der Neonatologie?

Frühgeborene Kinder haben ein sehr fragiles, aber auch noch sehr formbares Gehirn. Diese Phase, das letzte Drittel der Schwangerschaft, ist eine der wichtigsten Phasen der Gehirnentwicklung des Menschen. Jeder Reiz – ob Licht, Lärm, Musik oder Schmerz – beeinflusst, ob und wie sich neuronale Verbindungen aufbauen oder teilweise auch für immer eliminiert werden. Leider ist es auf der Neonatologie immer noch viel zu laut und zu grell. Die akustische Umgebung ist eher überstimulierend als entwicklungsfördernd. 


Wieso ist Musik so wichtig in dieser Situation?

Musik bzw. Musiktherapie kann auf der Intensivstation ein Gegenwicht schaffen und Klänge aus der Schwangerschaft anbieten, die den Kindern nun fehlen. So nutzen wir in der Kreativen Musiktherapie das Monochord, das einen tief-frequenten vibro-akustischen ruhigen, lebendigen Klang hat, der an das Blutrauschen und die Darmgeräusche aus dem Mutterleib erinnert. Nicht nur die Kinder beruhigen sich dabei, auch die Eltern beschreiben, dass sie während der Musiktherapie zur Ruhe kommen und sich mit ihrem Kind intensiver verbinden. Die Musiktherapie wird meist beim Känguruhen angeboten, wenn die Eltern ihr Kind auf der Brust liegen haben. Entweder summe ich zu den Monochordklängen im Wiegenliederstil oder wir summen oder singen zusammen, bis hin zum gemeinsamen Songwriting, bei dem wir den Emotionen der Eltern Raum geben. Für Eltern bedeutet es, gehört zu werden, eine Möglichkeit zu haben, aktiv etwas für ihr Kind aber auch für sich selbst zu tun. Für die Kinder heisst es, Geborgenheit und Regulation zu erfahren. Gleichzeitig wird sogar die Eltern-Bindung als auch die Gehirnentwicklung der Kinder unterstützt, wie wir in einer Studie am Universitäts Spital Zürich, zeigen konnten.


Wegweiser für Akustik, Stimme & Musik auf der Neonatologie
Wegweiser für Akustik, Stimme & Musik auf der Neonatologie

Kannst du uns eine persönliche Geschichte erzählen von einem Kind auf der Neonatologie?

Ich erinnere mich an eine Familie, die ihren Sohn in der 24. Schwangerschaftswoche bekommen hatte, noch nicht mal ein halbes Kilo schwer. Normalerweise lassen wir die Kinder in der ersten Woche so gut es geht in Ruhe, um ihnen Zeit zu geben, sich zu adaptieren und Hirnblutungen vorzubeugen. Die Eltern hatten jedoch angefragt, ob sie nicht bereits ganz früh Musiktherapie erhalten könnten. So haben wir bereits am Ende der ersten Woche vorsichtig miz sanftem Summen begonnen und dann Schritt für Schritt das Monochord hinzugenommen. Beide Eltern haben die Musiktherapie immer sehr genossen und dann auch selber begonnen, regelmässig für ihren Sohn zu summen. Insgesamt hatte der Junge 30 Musiktherapiesitzungen und hatte tatsächlich in unserer Studie zur Gehirnentwicklung den stärksten positiven Effekt. 2 Jahre später habe ich dann eine Nachricht der Mutter erhalten, dass ihr kleiner Bub, wenn er nachts aufwacht, immer so lange singt, bis er wieder einschläft und sie die «Kleine Nachtmusik» sehr geniessen und ob das denn von der Musiktherapie komme. Auch Jahre später hat der Junge viel gesungen und ein Instrument erlernt. Das ist für mich sehr berührend, wenn dieses kleine Samenkorn, das wir ganz zu Beginn säen, so wunderschön aufgeht, blüht, gedeiht und wächst.


Wie können Eltern ihre Kinder auch zuhause unterstützen?

Ganz einfach: mit der eigenen Stimme. Schon spielerisches Brabbeln mit dem Kind, sanftes Summen, Singen oder rhythmisches Wiegen wirkt beruhigend und förderlich. Es muss nicht absolut sauber sein oder wie bei den Profis klingen, sondern von Herzen kommen, bezogen und liebevoll sein. Denn für die Babies haben die Eltern die allerschönste Stimme auf der ganzen Welt. Auch gemeinsame Rituale mit Musik – etwa ein Schlaflied oder ein Massagelied – schenken Sicherheit und Nähe. Je älter die Kinder werden, desto spielerischer und interaktiver werden die Lieder, wie zum Beispiel Kniereiter, wenn die Kinder sitzen und Verstecklieder.


amiamusica charity ride out
Charity Ride-Out mit Scampi Cicli im Sommer 2025 in Zürich

Wie ich gesehen habe ist amiamusica auch mit dem Fahrrad unterwegs – was hat das mit eurem Projekt zu tun?

Ja genau. Mit unserem Projekt miles4amiamusica fahren wir jedes Jahr viele Kilometer auf dem Rad, um Aufmerksamkeit und Spenden zu sammeln. Denn frühgeborene Kinder verbrauchen mehr Kalorien pro Tag im Verhältnis zu ihrer Körpergrösse als Tour de France Fahrer. Die vielen Wochen und Monate auf der Intensivstation sind also mehr als eine Tour de France. Sie sind eine Tour de Force, nicht nur für die Kinder, auch für die Familien. Darauf möchten wir aufmerksam machen und für unsere Musikprojekte Gelder einwerben.


Wie kann man euch unterstützen?

Es gibt viele Wege:


  • durch Spenden, die direkt in Projekte für Kinder und Eltern fliessen,

  • durch Mitmachen bei unseren Charity-Rides,

  • durch Teilen auf Social Media und weiteren Kanälen und Erzählen über unsere Arbeit, damit mehr Menschen davon erfahren.


Musik als Therapie in der Neonatologie und danach ist noch jung, aber voller Potenzial. Jede kleine Unterstützung hilft uns, diese Vision weiterzutragen: dass jedes Kind von Anfang an die Kraft und Freude an der Musik erleben darf.

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